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Gericht: Oberlandesgericht Rostock
Beschluss verkündet am 13.06.2005
Aktenzeichen: 3 U 57/05
Rechtsgebiete: ZPO, InsO
Vorschriften:
ZPO § 256 | |
ZPO § 767 | |
InsO § 174 Abs. 2 | |
InsO § 175 Abs. 2 | |
InsO § 178 Abs. 3 | |
InsO § 184 | |
InsO § 302 Nr. 1 |
Oberlandesgericht Rostock Beschluss
In dem Rechtsstreit
hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Rostock
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Eckert, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Jedamzik und die Richterin am Oberlandesgericht Bartmann
am 13.06.2005 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Beklagten, ihm Prozesskostenhilfe für die Berufung gegen das am 11.02.2005 verkündete Urteil des Landgerichts Neubrandenburg (Az.: 2 O 44/04) zu bewilligen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Über das Vermögen des Beklagten eröffnete das Amtsgericht Neubrandenburg am 09.04.2003 das Insolvenzverfahren (IN 66/03). Mit Schriftsatz vom 16.05.2003 meldete die Klägerin ihre Beitragsforderung i. H. v. 35.455,94 € zur Tabelle an. Hierin enthalten ist eine Forderung i. H. v. 10.585,37 €, bzgl. deren sie angab, sie resultiere aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, nämlich der Vorenthaltung im Jahr 1998 fällig gewordener Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a StGB). Der Beklagte erkannte die Forderung im Grundsatz als berechtigt an, erhob aber Widerspruch gegen die Qualifizierung der Forderung als auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruhend. Dieser Widerspruch wurde zur Tabelle eingetragen.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass es sich bei der von ihr zur Tabelle angemeldeten Forderung über 10.585,37 € um eine Forderung aus vorsätzlich unerlaubter Handlung wegen Vorenthaltens von Arbeitnehmeranteilen handele. Das Landgericht gab der Klage statt.
Der Beklagte beabsichtigt, gegen das Urteil Berufung einzulegen und beantragt hierfür Prozesskostenhilfe. Er zieht die Zulässigkeit der Klage in Zweifel. Weiter bringt er vor, dass die Klägerin die Voraussetzungen der vorsätzlichen Beitragsvorenthaltung darzulegen habe; er, der Beklagte, habe nicht damit zu rechnen brauchen, dass die Mitgesellschafter nach seinem erzwungenen Ausscheiden aus der Gesellschaft die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht abführen würden.
II.
Das Prozesskostenhilfegesuch ist zurückzuweisen, weil das beabsichtigte Rechtsmittel keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 114 ZPO).
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist die Feststellungsklage zulässig.
a) Die Klägerin hat gem. § 256 ZPO ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.
aa) Ergänzend zu § 302 Nr. 1 InsO, demzufolge Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht an der Restschuldbefreiung teilnehmen, bestimmt § 174 Abs. 2 InsO, dass der Gläubiger, soweit er eine Forderung aus unerlaubter Handlung zur Tabelle anmeldet, die Tatsachen anzugeben hat, aus denen sich aus seiner Einschätzung ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrundeliegt. Die prozessuale Behandlung des Schuldnerwiderspruchs gem. § 175 Abs. 2 InsO, der sich bei grundsätzlicher Anerkennung der Forderung lediglich gegen deren Einordnung als auf vorsätzlich unerlaubter Handlung beruhend wendet, ist nicht geregelt. Graf-Schlicker/Remmert (NZI 2001, 569, 572) sind der Auffassung, es obliege dem Gläubiger, die Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit trotz Restschuldbefreiung zu schaffen, weil der auf den Schuldgrund beschränkte Widerspruch bereits diese Wirkung beseitige. Dagegen lässt sich einwenden, dass § 174 Abs. 2 InsO von dem Gläubiger lediglich verlangt, dass er bei der Anmeldung seiner Forderung die Umstände darlegt, aus denen sich ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt. Wenn der Schuldner den Wegfall des gem. § 178 Abs. 3 InsO geschaffenen Vollstreckungstitels erstrebt, muss er die prozessuale Initiative ergreifen. Diese dem Gläubiger zuzuschieben, erscheint nicht sinnvoll, denn er müsste auch bei Obsiegen für die Gerichtskosten und die eigenen außergerichtlichen Anwaltskosten aufkommen, weil der beklagte insolvente Schuldner diese regelmäßig nicht erstatten kann. Umgekehrt ist dem Schuldner, der die Erstreckung der Restschuldbefreiung auf alle Forderungen festgestellt wissen will, die gerichtliche Geltendmachung durch Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO rechtlich möglich und auch zuzumuten (vgl. Uhlenbruck, InsO 12. Auflage, § 302 Rn. 24; Fuchs NZI 2002, 298, 303; Brückl, ZInsO 2005, 16, 19). Dieses Vorgehen belastet den Schuldner nicht unbillig, denn er erhält Prozesskostenhilfe, wenn sein Bestreben Erfolg verspricht.
Auch wenn der Schuldner die prozessuale Initiative ergreifen muss, um die Vollstreckbarkeit der von dem Gläubiger als auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruhend qualifizierten Forderung zu beseitigen, so bedeutet dies nicht, dass es dem Gläubiger verwehrt sein muss, prozessual auf Erhaltung der Vollstreckbarkeit trotz Restschuldbefreiung hinzuwirken. Allein die aufgezeigten Kontroverse begründet sein Interesse an der gerichtlichen Feststellung, dass die angemeldete Forderung auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht. Sofern die Zulässigkeit der Feststellungsklage des Gläubigers nicht aus der entsprechenden Anwendung des § 184 InsO folgt (LG Dresden ZIV 2004, 531; Landfermann in Heidelberger Kommentar, InsO, 3. Auflage, § 302 Rn. 2 a; Stephan in MünchKomm, InsO, § 302 Rn. 20; Mäusezahl, ZInsO 2002, 462, 468; Kehe/Meyer/ Schmerbach, ZInsO, 2002, 660, 665; Brückl, ZInsO 2005, 16), besteht jedenfalls das Feststellungsinteresse gem. § 256 ZPO.
Nicht sachgerecht wäre es, den Streit über die materielle rechtliche Grundlage der angemeldeten Forderung in das Vollstreckungsverfahren zu verlagern; eine derartige Prüfung ist mit der Konzeption des Vollstreckungsverfahrens nicht vereinbar (OLG Celle ZInsO 2003, 280 = ZVI 2004, 46 = OLG Report 2003, 195; BGHZ 152, 148 = NJW 2003, 515 = ZVI 2002, 420 zu § 850 f ZPO).
bb) Unabhängig davon, ob der Beklagte Restschuldbefreiung erlangen wird, besteht das Feststellungsinteresse der Klägerin schon jetzt.
Der Auffassung, erst nach Erteilung der Restschuldbefreiung sei die Klärung, ob die angemeldete Forderung auf vorsätzlicher unerlaubter Handlung beruht, erforderlich und möglich (Kübler/Prütting/Pape, InsO, Loseblattkommentar, Stand 11/2002, § 174 Rn. 2; Graf-Schlicker/Remmert, NZI 2001, 569, 572), ist nicht zu folgen. Für das derzeit bestehende Feststellungsinteresse spricht zweifelsfrei das Bestreben des Gläubigers, sich möglichst bald Klarheit in rechtlicher Hinsicht zu verschaffen und einer Verschlechterung der Beweislage (dazu Kehe/Meyer/Schmerbach, ZInsO, 2002, 660, 665) durch Zeitablauf entgegenzutreten. Wie bei einer Klage auf zukünftige Leistung (vgl. § 259 ZPO) begründet allein die Besorgnis, dass der Beklagte nach Bewilligung der Restschuldbefreiung die Vollstreckbarkeit des mit der Feststellung zur Tabelle geschaffenen Titels angreifen wird, das Interesse des Gläubigers an der frühzeitigen gerichtlichen Klärung.
Demgegenüber kann der Beklagte nicht einwenden, dass nicht feststehe, ob er Restschuldbefreiung erhalten werde. Ziel des Privatinsolvenzverfahrens ist in aller Regel die Restschuldbefreiung; bislang hat er nicht angekündigt, dass er Restschuldbefreiung nicht beantragen werde.
2. Die materiell-rechtliche Schlussfolgerung des Landgerichts, dass der Beklagte vorsätzlich Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung vorenthalten hat, ist rechtfehlerfrei. Mit zutreffender Begründung weist es den Einwand des Beklagten, zahlungsunfähig gewesen zu sein, zurück. Auch bejaht es zu Recht den bedingten Vorsatz des Beklagten. Nach seinem erzwungenen Ausscheiden aus der Bauarbeitsgemeinschaft konnte er nicht darauf vertrauen, dass die früheren Mitgesellschafter seine Verbindlichkeiten abtragen würden. Er ließ die Dinge laufen, ohne sich zu informieren; selbst als er erfuhr, dass zumindest einzelne Arbeitnehmer ihren Lohn nicht erhielten, blieb er untätig und nahm in Kauf, dass die Arbeitnehmeranteile nicht entrichtet wurden. Derartiges Verhalten genügt den Anforderungen des bedingten Vorsatzes.
Ende der Entscheidung
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